Bei neu abzuschließenden Rahmenverträgen für IT-Liefer- oder IT-Dienstleistungen wird heute zunehmend über die Gestaltung der Vertragsdauer diskutiert. Gerade in unsicheren Zeiten aufgrund von Pandemie und Krieg stellt sich die Frage: Welche Laufzeit ist die richtige? Sind IT-Rahmenverträge mit langen Laufzeiten heute noch vertretbar? Was ist bei der Vertragsgestaltung zu beachten? Auf diese Fragen geht der folgende Blog-Artikel etwas genauer ein.
In Zeiten von Corona-Pandemie, der damit einhergehenden Unterbrechung von globalen Lieferketten (auch) im IT-Sektor, der aktuellen Ukraine Krise sowie einer generellen Markt- bzw. Zukunftsunsicherheit stellt sich die Frage: sind IT-Rahmenverträge mit langen Laufzeiten noch die richtige Wahl? Oder ist es unter Umständen besser, generell Vertragslaufzeiten von nur ein oder zwei Jahren zu wählen?
1. Laufzeit und Initialaufwand für den Vertragsabschluss
Um einen neuen Rahmenvertrag abzuschließen, sind zunächst einmal Angebote – üblicherweise mittels einer Ausschreibung – einzuholen. Eine Ausschreibung von Rahmenvertragsleistungen geht immer mit einem gewissen Aufwand einher. Insbesondere bei komplexeren IT-Services, die outzusourcen sind, sind Ausschreibungen sehr aufwändig: Es muss eine Outsourcing-Konzeption erstellt bzw. aktualisiert werden. Danach müssen die entsprechenden Ausschreibungsunterlagen erstellt werden. Anschließend erfolgt die Auswahl der passenden Bieter. Schlussendlich müssen die Angebote ausgewertet und mit den Bietern ggf. mehrere Verhandlungsrunden mit anschließend erneuter Angebotsprüfung durchgeführt werden. Solche Verfahren dauern schnell 6 bis 12 Monate, teilweise sogar länger.
Beträgt die Laufzeit dann nur ein oder zwei Jahre, so ist der Aufwand für die Ausschreibung unwirtschaftlich, da auch bei attraktiven Angeboten für die Rahmenvertragsleistungen die Kosten der Ausschreibung auf die wenigen Jahre der Laufzeit zu verteilen sind.
2. Vertragslaufzeiten im öffentlichen Sektor
Im öffentlichen Sektor soll die Festlegung von Vertragslaufzeiten unter anderem bewirken, dass andere Bieter nicht über einen sehr langen Zeitraum oder gar auf unbegrenzte Zeit von der Leistung und dem Wettbewerb ausgeschlossen werden. Daneben soll die regelmäßige Ausschreibung von Leistungen auch deren Wirtschaftlichkeit gewährleisten, etwa bei der Vergabe von Lieferverträgen. Zwar steigt bei längeren Laufzeiten auch das Einkaufsvolumen. was potenziell attraktivere Angebote bewirkt. Allerdings können dann unvorhersehbare Preisentwicklungen oft nicht mitgegangen werden.
Für öffentliche Auftraggeber sind gesetzlich vergaberechtliche Grenzen zu beachten. In der Vergabeordnung legt § 21 Abs. 4 VgV fest, dass Rahmenvereinbarungen eine Höchstlaufzeit von vier Jahren haben dürfen. Bei Rahmenvereinbarungen für Bauleistungen legt § 4 Abs. 1 S. 4 VOB/A ebenfalls eine Höchstlaufzeit von vier Jahren fest. Ausnahmen rechtfertigen nur der Auftragsgegenstand oder besondere Umstände, etwa bei Aufträgen, die Investitionen mit einem Amortisierungszeitraum von mehr als vier Jahren erfordern. Oder aber das einzurichtende IT-System ist so komplex, dass das Projekt von vornherein auf mehr als vier Jahre ausgelegt ist.
3. Abwägen zwischen Risiken und Nutzen
Um für eine konkrete Rahmenvertragssituation die richtige Laufzeit zu ermitteln, ist zu prüfen, welche konkreten Risiken welchem Nutzen bei verschiedenen Vertragslaufzeit-Optionen gegenüberstehen. Gerade in unsicheren Zeiten wie heute ist in diesem Zusammenhang eine besonders sorgfältige leistungsbezogene Risikoanalyse und Risikobewertung durchzuführen. Betrachten wir bezüglich Risiken und Nutzen bei langen Rahmenvertragslaufzeiten einige Beispiele:
Risiken bei Lieferleistungen
Gerade bei IT-Lieferleistungen besteht die Gefahr, bei langer Laufzeit zu hohe Preise für Produkte zu zahlen. Nach mehreren Jahren sind Produkte oft im Preis gefallen, man ist aber durch die Ausschreibung konkreter Produkte an den Preis bei Beginn der Vertragslaufzeit gebunden.
Ein weiterer Faktor ist die Weiterentwicklung von Produkten. Zuallererst gibt es das Risiko, dass das Produkt ab einem Zeitpunkt innerhalb der Vertragslaufzeit gar nicht mehr am Markt verfügbar ist und man dann keine Preisregelung für das Nachfolgemodell im Vertrag vereinbart hat.
Oder es besteht das Risiko, dass es nach 2 Jahren womöglich ein besseres, und eventuell sogar günstigeres Alternativmodell oder eine geeignetere Modellreihe gibt, man aber weiter das im Vertrag festgeschriebene Produkt beschaffen muss.
Risiken bei Dienstleistungen
Bei langfristig vereinbarten Festpreise für Dienstleistungen kann sich im Laufe der Zeit die Marge des Dienstleisters verringern, zum Beispiel wenn die Kosten von Ressourcen stärker steigen als von ihm kalkuliert. In der Folge versucht der Dienstleister dann, seinen Aufwand zu reduzieren und dies führt letztendlich zu einem schlechteren IT-Service sowie stetigen Konflikten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.
In Ausnahmenfällen steigt mit längeren Laufzeiten bei IT-Dienstleistungen und IT-Lieferleistungen durchaus die Gefahr, dass der Dienstleister, etwa durch falsche Marktpositionierung, während der Vertragslaufzeit in die Insolvenz muss.
Nutzen
Generell kann eine längere Vertragslaufzeit die Attraktivität der Ausschreibung für potenzielle Bieter erhöhen. Ein mit der längeren Laufzeit einhergehendes, großes Auftragsvolumen sowie die Aussicht auf eine damit gesicherte Grundlast über einen längeren Zeitraum locken mitunter mehr Bieter an. Beide Faktoren erhöhen den Wettbewerb und können schlussendlich bessere Preise ergeben. Sie erlauben den Bietern, Mengenrabatte (auch von ihren Lieferanten) einzupreisen.
Ebenfalls von Vorteil bei der langfristigen Vergabe von Dienstleistungen ist die anteilig geringere Anlaufphase bei der Serviceerbringung. Gerade bei umfangreichen Services und teils kundenspezifischen Service-Teilen und diversen gemeinsam von beiden (und zum Teil weiteren) Vertragsparteien zu bedienenden Prozessen braucht es einige Zeit, bis sich die Zusammenarbeit in der gewohnten Qualität und Effizienz mit dem Dienstleister eingespielt hat. Auch die vor Vertragsbeginn stattfindende Transitionsphase hat bei längerer Laufzeit – wie schon oben angedeutet – einen durchaus höheren Nutzen, da deren Ergebnisse nach der Anlaufphase eine längere Phase effizienter Serviceerbringung ermöglicht und damit ihren Aufwand mehr als wieder einspielen kann.
Maßnahmen zur Reduzierung der Risiken
Um Risiken zu reduzieren, ist für IT-Rahmenverträge mit langen Laufzeiten auf eine gewisse Flexibilität zu achten. Hat man zum Beispiel für eine Produktgruppe eine Preisbasis vereinbart, lassen sich unter Umständen sich vom Markt weg entwickelnde Preise für fest ausgeschriebene Produkte vermeiden. Auch eine Klausel zur Handhabung von möglichen Nachfolgeprodukten kann in Rahmenverträgen festgehalten sein. Eine Preisbasis kann konkret vereinbart werden als Rabatt für Produkte auf am Markt anerkannten Preislisten, wie zum Beispiel der globalen Cisco Preisliste (Cisco GPL).
Weiterhin ist bei Dienstleistungen wie zum Beispiel Wartung eines Produkts, die über Rahmenverträge mit langen Laufzeiten vereinbart werden sollen, zu beachten, keine festen Monatspauschalen auszuschreiben. Man erhält deutliche bessere Preise, wenn man prozentuale Pauschalen auf Basis von am Markt anerkannten Listenpreisen verwendet, da die Bieter durch die flexible Preisregelung Risikoaufschläge in Ihren Preisen deutlich reduzieren können.
Durch den Einsatz derartiger Maßnahmen und ihre Berücksichtigung im Rahmenvertrag ändert sich das Verhältnis von Risiko zu Nutzen und längere Vertragslaufzeiten sind auch in schwierigen Zeiten vertretbar.
4. Fazit – IT-Rahmenverträge mit langen Laufzeiten
Zusammenfassend lässt sich die Antwort auf eingangs gestellter Frage „Sind IT-Rahmenverträge mit langen Laufzeiten heute noch vertretbar?“ wie folgt formulieren: auch in turbulenten Zeiten ist eine längere Vertragslaufzeit bei der Ausschreibung von Rahmenverträgen immer noch sinnvoll und wirtschaftlich, wenn für die auszuschreibende Leistung die mit ihr verbundenen Risiken für Auftraggeber und Auftragnehmer angemessen reduziert werden können. Gerade in den aktuell unsicheren Zeiten sollte eine Risikoanalyse und die Bewertung der identifizierten Risiken dementsprechend sorgfältig ausfallen.
Die damit auch einhergehende erhöhte Attraktivität der Ausschreibung für Bieter, der daraus resultierende, verstärkte Wettbewerb sowie die potenziell deutlich besseren Preise bieten zudem weitere klare Vorteile.
Möglichen Risiken lassen sich unter anderem mit einer detaillierten Ausschreibungsgrundlage entgegenwirken, in der die angefragten Leistungen genau spezifiziert und für möglichst alle Eventualitäten, d.h. für alle identifizierten Risiken vertragliche Regelungen geschaffen werden. Zudem muss auf eine hohe Flexibilität bei der Vertragsgestaltung geachtet werden, damit zum Beispiel eine Preis- bzw. Produktabhängigkeit mit negativen Folgen in der verbleibenden Vertragslaufzeit vermieden werden kann.