Lieferantenbewertung in Multi-Provider-Umgebungen: Bringt diese wirklich einen Mehrwert? In vielen Unternehmen, die IT-Services outgesourct haben, wird die Lieferantenbewertung häufig erst einmal als nachrangig angesehen. Nach dem Outsourcing liegt der Fokus zunächst darauf, eine funktionierende Providersteuerung zu etablieren. In der Regel greifen Unternehmen das Thema dann nicht wieder auf, da man sich keinen großen Nutzen erwartet. Wir zeigen auf, dass sich eine Lieferantenbewertung lohnt, wie man sie gestalten und die Ergebnisse konsequent zum eigenen Vorteil nutzen kann.
1. Eingrenzung der Betrachtung
Die Lieferantenbewertung dient dazu, die Leistungsfähigkeit der Lieferanten des eigenen Unternehmens transparent zu machen. Sie soll kein Selbstzweck sein. Die Bewerthttps://www.cloudcomputing-insider.de/was-ist-ein-service-provider-a-723385/ung ist ein Mittel, um eine zielgerechte Selektion und Entwicklung von Lieferanten zu ermöglichen. Wir fokussieren uns im Folgenden auf die Bewertung von bereits beauftragten IT-Service-Providern und deren Entwicklung. Die Auswahl von neuen IT-Service-Providern betrachten wir in diesem Artikel nicht.
2. Ausgangssituation
Wenn in Unternehmen überhaupt eine Lieferantenbewertung bei IT-Service-Providern erfolgt, dann oft nur beim Einkauf und mit dem Fokus auf für ihn relevante, eher kaufmännische Kriterien. Dies sind insbesondere Kriterien wie Preis, Termintreue und Lieferzuverlässigkeit, sowie die Handhabung von Angebotsanfragen. Inhaltliche Aspekte wie die Servicequalität und die Kooperation, die für das Providermanagement essenziell sind, werden häufig nicht oder nur am Rande mit betrachtet.
3. Ziele und Nutzen
Lieferantenbewertungen können verschiedenen Zielsetzungen dienen, d.h. die Bewertungsergebnisse können zu unterschiedlichen Zwecken verwendet werden. Im Folgenden werden drei mögliche Zielsetzungen aufgezeigt:
Abbildung 1: Zielsetzungen von Lieferantenbewertungen
Bewertungen können dazu dienen, die Leistung von einzelnen Service-Providern zu optimieren. Schwachstellen werden aufgedeckt und können dann – idealerweise über einen etablierten kontinuierlichen Verbesserungs-Prozess (KVP) – beseitigt werden. Hierbei können teils auch Schulungs- und Entwicklungsmaßnahmen durch den Auftraggeber notwendig werden.
Des Weiteren kann auf Basis der Bewertung auch die Zuordnung der Services zu Providern verbessert werden. Dies erfolgt idealerweise im Rahmen der jährlichen Überprüfung der Sourcing-Strategie. Es wird mit Blick auf das gesamte Service-Portfolio geprüft, welche Service-Provider zukünftig aufgrund ihrer Bewertung und Entwicklung zusätzliche Aufgaben übernehmen sollen und welche eher reduziert oder nicht mehr eingesetzt werden. Hierbei hilft in einigen Situationen, Bewertungen der Service-Provider vergleichen zu können. Dies sollte die Bewertungsmethodik unterstützen.
Eine weitere Zielsetzung ist das Sicherstellen von Compliance bei den Service-Providern. So wird zum Beispiel die Einhaltung von Nachhaltigkeitsregeln transparent , wie sie das gerade eingeführte deutsche Lieferkettengesetz oder internationale ESG-Richtlinien vorgeben. (Die Bewertungsergebnisse sollten durch ergänzende Audits beim Service-Provider abgesichert und konkretisiert werden).
4. Gestaltung der Lieferantenbewertung
Die Gestaltung der Lieferantenbewertung sollte sich an den angestrebten Zielen ausrichten. Was heißt das konkret? Die Bewertung ist kein Selbstzweck, sondern immer Mittel zum Zweck: sie stellt Daten bereit, auf Basis derer Verbesserungen eingeleitet werden. Dies können Verbesserungen sein, die in der Verantwortung des Einkaufs, des Providermanagements oder weiterer Stellen liegen. Unabhängig von der Zuständigkeit muss die Zusammenstellung der Bewertungskriterien die erforderlichen Daten für die Planung und Umsetzung dieser Verbesserungen liefern.
Kriterien und ihre Bewertung
Grundsätzlich sind quantitative und qualitative Kriterien für die Bewertung einsetzbar. Quantitative Kriterien sind messbar, wie zum Beispiel die Einhaltung von vereinbarten Service- Levels. Den Erfüllungsgrad von qualitativen Kriterien, zum Beispiel die Kompetenz der Mitarbeiter:innen des Service-Providers, können Unternehmen mangels Messmethode im Rahmen von Umfragen ermitteln. Er wird durch die Vergabe von Punkten – bei vorgegebener Punkteskala, z. B. von 0 bis 10 – bewertet.
Um das Bewertungsverfahren schnell aufsetzen zu können, ermitteln einige Unternehmen Lieferantenbewertungen ausschließlich auf Basis von Umfragen.
Wir empfehlen, alle quantitativen Kriterien grundsätzlich zu messen und die Ergebnisse möglichst automatisiert in die Bewertung einfließen zu lassen. Der Grund hierfür: Der manuelle Aufwand für die Service-Provider-Bewertungen reduziert sich hierdurch deutlich, es sind nur noch die qualitativen Kriterien über eine Umfrage durch Personen zu bewerten. Zudem sind die Ergebnisse objektiver als bei Umfragen.
Welche Kriterien sind nun einzubeziehen? Wie schon dargestellt, richtet sich das danach, was mit den Bewertungsergebnissen angefangen werden soll. Grundsätzlich macht es Sinn, Kriterien aus den folgenden Gruppen abzuleiten:
Abbildung 2: Kriterien-Gruppen für Lieferantenbewertung
- aus dem SLA-Reporting ableitbare Servicequalität,
d.h. Erfüllen der vertraglich vereinbarten Leistungen und Service Levels, - Wirtschaftlichkeit der externen Services,
d.h. Preise in Relation zum Markt, - Soft Facts,
z.B. Mitarbeiterkompetenzen, Proaktivität, Flexibilität, Kooperation, - Compliance,
Einhaltung von Vorgaben, z. B. der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und des Lieferkettengesetzes (Nachhaltigkeit, Menschenrechte),
- Leistungsangebot,
d.h. das Potenzial des Service-Providers, zukünftige Anforderungen decken und weitere Servicebereiche übernehmen zu können.
Toolunterstützung
Wir hatten schon oben betont, dass der Aufwand für die Durchführung von Lieferantenbewertungen möglichst gering sein sollte. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, eine Toolunterstützung für Bewertungen zu schaffen, die insbesondere
- eine möglichst weitgehende Automatisierung eines Teils der Bewertung (insbesondere Service-Levels, abgeleitet aus den Datenbeständen der SLA-Reports) leistet,
- Umfragen technisch so unterstützt, dass diese mit geringem Aufwand bei allen Beteiligten abgewickelt werden können,
- verständliche Berichte für Auswertungen auf Knopfdruck bereitstellt,
- auch Trends über mehrere Bewertungszyklen auswertbar macht.
5. Bewertungsdurchführung und Auswertung
Es ist wichtig, eine für Lieferantenbewertungen verantwortliche Rolle festzulegen, die für die Weiterentwicklung des Bewertungsverfahrens, sowie für die Koordination der Durchführung einzelner Bewertungen und der Bereitstellung der Ergebnisse für diese weiterverarbeitende Stellen zuständig ist.
Der Umfrage-Teil einer Bewertung sollte von ausgewählten, an der Servicenutzung bzw. am Providermanagement Beteiligten beantwortet werden. Abhängig vom Service können dies unter anderem Providermanager:innen, interne IT-Mitarbeiter:innen, Management-Vertreter:innen, Einkauf und das Vertragsmanagement sowie Kund:innen und Anwender:innen sein.
Die Auswertung der Ergebnisse kann auch Input für eine Lieferantenklassifizierung sein. Diese hilft auch bei der Lieferantenauswahl für zukünftige Beschaffungsmaßnahmen. Mögliche Klassen sind dabei „bevorzugte Lieferanten“, „zu entwickelnde Lieferanten“, „gesperrte Lieferanten“ (weitere Abstufungen sind möglich).
6. Fazit – Lieferantenbewertung im IT-Providermanagement
Die Lieferantenbewertung ist ein wertvolles Instrument zur Entwicklung von IT-Service-Providern und der gesamten Service-Organisation. Wichtig hierfür ist, dass das Bewertungsverfahren sauber aufgesetzt wurde. Insbesondere sollten Unternehmen auf gute Toolunterstützung mit weitreichender Automatisierung achten, um die Akzeptanz des Verfahrens und der Bewertungs-Ergebnisse bei allen Beteiligten sicherzustellen.
Am wichtigsten aber ist, die Bewertungs-Ergebnisse für Steuerungs- und Verbesserungsmaßnahmen zu nutzen. Erzeugen Unternehmen nur schöne Reports, dann ist der Aufwand für die Lieferantenbewertung eine Fehlinvestition.